Es ist 7 Uhr, als der Wecker losdröhnt, zuverlässig und gnadenlos wie er ist. Aber ich bin ja hier nicht auf Urlaub, sondern auf der Durchreise bzw. auf der Flucht vor dem Wetter, mit einem ehrgeizigen Tagesziel namens Ventimiglia in Italien. Ich will auf keinen Fall in Frankreich übernachten, weil ich Frankreich ungefähr so gern mag, wie Sumpfarsch. Da schmier ich mir lieber meinen Arsch mit Honig ein und setzt mich auf einen Ameisenhaufen. 😁
Ich hab erst mal in aller Ruhe gefrühstückt, bevor ich mein Gepäck wieder in die Tiefgarage schleppte und alles am Trike gut befestigte, dass es auch einem Fahrtwind von 160 km/h und mehr standhält. Darüber hinaus war für heute starker Westwind mit Böen bis zu 80 km/h entlang meiner Route vorhergesagt. Für den ersten Teil meiner Route geht es nach Norden, somit bekomm ich die Böen von der Seite, in etwa wie ein linker Haken beim Boxen. Unglaublich, was mir auf diesem Road Trip das Wetter schon alles beschert hat. Einen Schneesturm hatte ich noch nicht, aber wer weiß, was die Alpen noch alles für mich bereit halten.
Kaum auf der Autobahn, wurde mir schon die Birne vom Wind geschüttelt wie ein Martini – Quatsch, der wird ja gerührt und nicht geschüttelt. 😉 Dann eben wie ein Painkiller aus der Soggy Dollar Bar in der White Bay auf Jost van Dyke bei den British Virgin Islands. Der Painkiller ist mir eh lieber bzw. mein absoluter Lieblings-Cocktail. Aber halt, der wird ja im Mixer aufgeschäumt und auch nicht geschüttelt. Jetzt hab ich’s aber, ich fühle mich wie ein Singapore Sling vom Michele aus dem Negroni in München. Vor lauter Cocktails hab ich jetzt Lust auf einen bekommen, aber vor allem hab ich den Faden verloren. 😜
Ach ja, beim Wind war ich, der aus Westen bläst und meine Birne gnadenlos schüttelt. Wie gesagt, das war deshalb so blöd, weil ich nach Norden Richtung Montpellier fuhr und die Böen aus Westen, seitlich auf meinen Helm knallten. Das wird jetzt locker die nächsten 250 Kilometer so bleiben bzw. noch schlimmer werden, weil bei Montpellier der Wind noch stärker ist, bis ich dann endlich nach Osten, Richtung Cannes fahren kann.
Bei Montpellier hätte ich die Möglichkeit, weiter nach Norden zu fahren und dann über die Schweiz nach Deutschland. Dann müsste ich nicht wieder über die unzähligen Baustellen entlang der Cote d’Azur fahren bzw. im Stau stehen. Aber wenn ich mir die Wetterkarte anschaue, bringt der Scheiß Wind eine riesengroße Regenfront mit Hagel in die Schweiz. Die Wetterprognosen waren zwar die letzte Zeit nicht so prickelnd und eigentlich kann man sich nicht wirklich darauf verlassen, aber es ist allemal besser, als die Route auszuwürfeln. So entschied ich mich, weiter an der Küste zu fahren und nachdem die Schweizer heute noch Hunde und Katzen essen, will ich sowieso nicht in dieses Kackland. Außerdem mag ich grundsätzlich keine Heuchler. Die sogenannte neutrale Schweiz hatte sich nämlich gar nicht vom 2. Weltkrieg distanziert, stattdessen haben sie mit Unsummen von Geld die Machenschaften von Hitler mitfinanziert. Aber darüber wird ja nicht gesprochen. Außerdem fügt die Schweiz indirekt vielen anderen Ländern erheblichen Schaden zu, indem sie Steuerbetrügern Unterschlupf gewähren und die Geldmassen, die eigentlich anderen Völkern gehören, werden gerne entgegen genommen und gebunkert. Es ist wohl nicht verwunderlich, dass eine skrupellose Nation wie die Schweiz, den Vatikan mit der Schweizergarde bewacht. Das passt ja wie Arsch auf Eimer. 🤢 Auch das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung und erhebt keinen dokumentarischen Anspruch.
So hatte ich mich also wieder für die Cote d’Azur entschieden. Als ich in Montpellier angekommen war, freute ich mich darauf, endlich nach Osten fahren zu können, damit der Wind von hinten kommt. Um die Strecke etwas abzukürzen, bin ich nicht direkt an der Küste über Toulon gefahren, sondern bin nördlich an Marseille vorbei und über Brignoles weiter nach Cannes gefahren. Trotzdem sind das noch 300 km und dass der Wind jetzt mehr von hinten kam, machte nicht den erhofften Unterschied aus.
Jedenfalls war es genau die richtige Entscheidung, nicht über die Schweiz zu fahren. Im Landesinneren konnte ich dicke, schwarze Wolken in der Luft sehen. Sie zogen mit großer Geschwindigkeit neben mir her. An manchen Stellen konnte ich in der Entfernung sehen, wie sie die Wassermassen nicht mehr in der Luft halten konnten und das Wasser in Strömen zu Boden fiel.
In Cannes angekommen konnte ich das Meer wieder sehen. Das wird jetzt entlang der Cote d’Azur bis nach Genua so bleiben. Meine durchschnittliche Himmelsrichtung bis nach Ventimiglia wird ab jetzt nordöstlich sein. Das hat sich auch schnell bemerkbar gemacht, weil jetzt zum Starkwind mit Böen auch noch die Fallwinde an der Küste dazu kamen.
Richtung Monaco kamen die Wolken schon sehr nahe an die Küste und ich hab eigentlich nur noch darauf gewartet, dass ich nass werden würde. Aber ich hatte ja sowieso keine Wahl, weil ich meine Unterkunft in Ventimiglia schon gebucht hatte und so kurz vorm Ziel nicht aufgeben würde. Aufgeben zählt sowieso nicht zu meinen Stärken – es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. So fuhr ich also fest entschlossen weiter und kam tatsächlich trocken, aber durchgeschüttelt wie ein Singapore Sling, in Ventimiglia an.
Hier bin ich erstmal über ne halbe Stunde im Stau gestanden, weil gerade Berufsverkehr war. Ich nutzte zwar Google Maps, aber dieses Örtchen war so eng, dass es einfach keine alternative Route mit weniger Verkehr gab.
Das Navi hat mich dann schließlich zu der übernommenen Adresse von booking.com, Via S. Secondo Nr. 53, gebracht. Ich konnte hier einfach keine Pension oder etwas Ähnliches entdecken. Die Adresse laut booking.com ist Via S. Secondo 53, allerdings ist da nur eine Einfahrt zu Mietwohnungen. Aber seht selbst…
Zum Glück wollte gerade ein Mann in die Toreinfahrt reinfahren. Er sah zwar nicht so aus, als ob er der englischen Sprache mächtig wäre, aber von meiner Zeit am Lago di Garda sind noch ein paar Brocken italienisch hängen geblieben. Ich also mit meinen minimalistischen Italienischkenntnissen: “Scusi Signore, dove Adressa Via Secondo cinquanta tre?” Der nette Herr antwortete prompt: “Qui” Aha, ich bin also an besagter Adresse. Also legte ich nach: “Io reservata una Camera per una Notte. Dove la Hotel?” Es muss ein furchtbarer Kauderwelsch gewesen sein, aber der nette Herr sprach weder Englisch noch Deutsch. Er schüttelte den Kopf und ich konnte drei Wörter aus seinen Sätzen, die er sprach, heraus hören: Non, Hotel und qui. Aha, also kein Hotel hier, schön blöd. Ich sagte dann noch: “Reservato booking.com” und siehe da, er sagte: “Adolfo?” Meine Kontaktperson hieß Adolfo und es war ein Licht am Ende des Tunnels an der Costa Azzura zu sehen.
Der nette Herr gab mir zu verstehen, dass ich hier warten soll und Adolfo auf dem Weg sei. Ich zeigte ihm dann noch, dass mein Trike ziemlich verboten weiter vorne steht und ich es nicht länger unbeaufsichtigt da stehen lassen möchte. Doch da kam auch schon Adolfo die Treppe herunter und begrüßte mich auf Englisch. Das Licht im Tunnel wurde heller, ich konnte wieder eine verbale Kommunikation führen, mit einer Sprache, die mir wie Deutsch über die Lippen geht. Er dirigierte mich durch die Einfahrt und zeigte mir den Weg nach oben zum Parkplatz. Dort oben angekommen war ich froh, das Trike zu parken und den Motor abzustellen. Für heute hab ich die Fahrerei hinter mir und die Flucht vor dem Wetter hab ich definitiv gewonnen. Catch me if you can, kann ich da nur sagen. 😉😁
Adolfo war total begeistert von meinem Trike. Da war es kaum verwunderlich, dass er Fragen über Fragen hatte. Nur blöd, dass ich total am Arsch war und eigentlich meine Ruhe wollte. Aber ich will ja nicht unhöflich sein und so spielten wir eine ganze Weile das Frage-Antwort Spielchen. Schließlich lenkte ich das Gespräch in Richtung Zimmer und wo es sich denn eigentlich befindet. Ich schnappte mir zwei Taschen und so gingen wir los. Wir gingen auf ein ganz normales Mietshaus zu und als wir im Hausgang verschwanden, war ich doch sehr verwundert. Adolfo ging voraus und wie ich befürchtet habe, ging er die Treppe hoch. Nicht schon wieder, mein Knie schmerzt noch von der Kletterei in meinem Turmzimmer auf Ibiza. Aber es kam noch schlimmer, im 1. Stock nahm er eine weitere Treppe und auch im 2. Stock nahm er die nächste Treppe, die schließlich in den 3. Stock unters Dach führte.
Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt hab ich noch mehr Treppensteigerei als in Ibiza. Die Unterkunft, so stellte es sich heraus, war eine ganz normale, kleine Wohnung mit einer Wohnküche und einem Schlafzimmer sowie einer Bad/Toilettenkombi mit einer Sitzwanne ohne Duschvorhang. Die Mansarde reichte fast über die gesamte Breite der Zimmerdecke, was für mich so gar nicht witzig war, weil ich fast keinen Schritt machen konnte ohne mich dabei bücken zu müssen oder mir unweigerlich den Schädel zu schrotten. Jetzt war mein Kopferl schon den ganzen Tag vom Wind gebeutelt und geprügelt worden und zum krönenden Abschluss kommt jetzt noch alle paar Minuten ein Hammerschlag auf die Schädeldecke dazu.
So enttäuscht und sauer ich auch gewesen bin, für Diskussionen fehlte mir schlichtweg die Kraft und der Nerv. Ich wollte nur noch meine Ruhe haben. Allerdings warteten da noch einige schwere Sachen wie z.B. der Generator auf mich, die in den 3. Stock geschleppt werden müssen. So hab ich also vor mich hin geflucht, während ich den ganzen Mist in den 3. Stock schleppte und mein linkes Knie immer mehr schmerzte. Dabei musste ich aufpassen, dass es nicht ganz kaputt geht, weil ich es noch dringend brauchte, um die Kupplung treten zu können. Irgendwann hatte ich dann die Schlepperei hinter mir. Durch die Dachluke konnte ich dann noch die Aussicht genießen. Die nächste größere Bucht in der Ferne war die Bucht von Monaco.
Auch der Blick auf die Wetterkarte stimmte mich nachdenklich, ob ich am nächsten Tag weiter fahren sollte oder lieber einen Tag hier warten soll, weil es in Genua am morgen am Vormittag regnen soll. Genua ist gerade mal 160 km weit weg ist. Unter Berücksichtigung der Staus wegen den Baustellen sind das ca. 2 – 3 Stunden Fahrzeit. Auch in Bardolino soll es morgen regnen und erst am Abend wieder trocken sein. So soll es morgen sein, aber was heißt das schon. In diesem Jahr sind die Wettervorhersagen ungefähr so verlässlich, wie von unseren Politikern die hochgeschätzten Wahlversprechen. 😁
Adolfo hat mir gesagt, dass ich gerne noch eine weitere Nacht bleiben kann, er aber für übermorgen gegen 11 Uhr einen anderen Gast erwartet. Ich versicherte ihm, dass ich bereits am Morgen spätestens gegen 9 Uhr abreisen werde. Also gab er mir sein okay, dass ich noch eine weitere Nacht bleiben kann, wenn der Wetterbericht bis morgen nicht besser ist. Ich machte es davon abhängig, wie die Wetterkarte morgen früh um 6 Uhr aussieht. Das sollte dann halbwegs zutreffend sein.
Nachdem ich seit gestern nichts mehr gegessen hatte, bis auf das karge Frühstück in Girona, fing mein Magen jetzt tatsächlich das Knurren an. Die Lösung auf die Schnelle für einen Zahnlosen lautet McDonald’s. Da gibt’s weiche Burger und es dauert nicht lang. Adolfo erklärte mir kurz den Weg und dass ich locker zu Fuß gehen könne, weil es nur ca. 500 Meter sind. Ist zwar ganz schön weit für mich, aber gut und ein Fußmarsch ist nicht das, was ich jetzt brauchen würde, aber das Leben ist kein Wunschkonzert oder wie der dumme Spruch heißt. Jetzt nochmal mit dem Trike ausparken und durch die engen Gassen war auch nicht das Gelbe vom Ei. Und ob es dann beim McDo nen Parkplatz gibt, weiß auch keiner, bei der engen und komprimierten Bauweise hier.
Kompaniiiiieeeee, iiiiiiim Gleichschritt, Marsch! Und schon marschierte ich los, genau so, wie es mir Adolfo erklärt hatte. Ich marschierte und marschierte und marschierte und mit jedem Schritt stiegen meine Schmerzen an, aber es kam einfach kein McDonalds in Sichtweite. Auch der Geruch blieb aus, dieser unverkennbare Geruch nach hmmm, ja nach was riecht es eigentlich, nach McDonald’s halt, sonst fällt mir dazu nichts ein. Jedenfalls unverkennbar und auf weite Distanzen riechbar. Nichts zu sehen und nichts zu riechen.
What the Fuck, kann denn nicht mal irgendeine Kleinigkeit funktionieren, muss mich denn wirklich restlos alles immer und immer wieder ficken??? Meine Rosette besteht nur noch aus Schorf und ist so wund, dass sie leuchtet, wie eine Nebelschlussleuchte. 😤Das ist doch wirklich nicht normal, wie das bei mir alles abläuft. KruzifixognogelteDrecksau. Ich ging einfach immer weiter und endlich, nach weit über einem Kilometer war ich schließlich am Ziel.
Es waren Schilder aufgestellt, dass man wegen Corona auf den großen Touch-Screens bestellen soll und auch gleich an den Screens mit Karte bezahlen soll. Also stellte ich meine Bestellung am nächsten Touch-Screen zusammen und als ich fertig war, wählte ich die Bezahlung mit Karte aus. Eigentlich alles easy, aber nicht bei mir. Das Lesegerät für die Karte war offenbar defekt und führte dazu, dass auch der Touchscreen nicht mehr reagierte. Ich konnte schon fast nicht mehr stehen und jetzt stresst mich dieser gottverdammte Screen. Es war natürlich nur mein Screen, alle anderen schienen zu funktionieren. So ging ich also zum Counter und erklärte dieser schwanzgesteuerten Italo-Schmalzlocke, dass der Touchscreen defekt ist. Das schien ihn aber so gar nicht zu interessieren, stattdessen grinste er mich an, ich rede nicht von lächeln sondern von hämischen Grinsen. Zum Glück konnte ich mich noch so weit beherrschen, dass ich ihm nicht einfach die Kauleisten rausgeklopft habe, sondern meine Bestellung aufgab und über seine grinsende Hackfresse hinweg sah. Wie sehr wünsche ich mir eine Anarchie, dann werden solche Arschlöcher nicht mehr vom Gesetz geschützt und aus diesen Arschlöchern würden vielleicht wieder respektvolle Menschen werden, weil sie damit rechnen müssten, dass ihnen mein gekugeltes Handibatscherl ins Gesicht fällt. Wenn er mich vor 30 Jahren blöd angegrinst hätte, wäre dieses Arschloch nicht aufrecht aus seiner Burger Bude rausgekommen.
Ich konnte es kaum erwarten, meine Tüte in Empfang zu nehmen und mich wieder auf den Rückweg zu machen. Ich wollte einfach nur noch zur Ruhe kommen und eine Kleinigkeit essen. Eigentlich gar kein großer Anspruch, oder? Als ich wieder zurück war, fielen mir im Hausgang Geräusche auf, die mich an einen Aufzug erinnerten. Mir stockte der Atem und tatsächlich, da kam eine ältere Signora ums Eck und ich hörte den klassischen Sound einer Aufzugtür. Nachdem die Signora an mir vorbei war, sah ich gleich mal nach, was da hinter dem Eck ist. Ich traute meinen Augen kaum, da war in der Tat ein Aufzug. Ja geht’s eigentlich noch??? Was soll diese gottverdammte Scheiße? Ich mach mich da fertig und quäl mich mit meinem Rücken und das Knie schmerzt auch ohne Ende, aber offenbar bin ich es nicht wert, dass ich den Aufzug benutzen darf, oder wie soll ich das jetzt wieder verstehen. Thank you Lord, but don’t worry, one day I will find you, if you exist. 😉
Anyway, ich nahm jetzt natürlich den Aufzug und fuhr meine Tüte von McDo nach oben. Was für eine Ironie. Somit war dieser Tag dann endlich zu Ende. Mir hat’s sowas von gereicht, aber nicht wegen der Fahrt, sondern wegen dem ganzen Dreck, der über mir von oben ausgeschüttet wird.
Drauf geschissen, ich mach trotzdem mit Freuden weiter, wie ich das will, jetzt erst recht und das sage ich mir jeden Tag. Es ist erst vorbei, wenn’s vorbei ist.
Für heute ist es zumindest vorbei. Gute Nacht.

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