Mit dem Trike ins Mittelmeer.

Timing ist alles, alles ist Timing

Es ist 6 Uhr, Zeit auf die Wetterkarte zu sehen und eine Entscheidung zu treffen. Leider war der Blick auf die Wetterkarte nicht so eindeutig, wie ich es mir erhofft hatte. Es war nach wie vor ein Glücksspiel, wie sich das Wetter im Tagesverlauf entlang meiner Route nach Bardolino entwickeln würde. Da ich mit Glück nicht gerade gesegnet bin, entschied ich mich, einen Tag zu warten, denn für den nächsten Tag war entlang meiner gesamten Route kein Regen zu erwarten. Also teilte ich Adolfo wie versprochen meine Entscheidung per WhatsApp mit und fing damit an, noch weiteres Zeugs vom Trike nach oben zu bringen, aber diesmal mit Aufzug, hehe.

Ich war gerade damit fertig, mein Notebook aufzubauen und die Festplatte anzuschließen. Ich fing gerade damit an, am Blog weiter zu schreiben, als mein Kuckuck aus dem Handy mir signalisierte, dass wohl eine neue Nachricht angekommen ist. Weil mein Handy gerade in Reichweite war, hab ich gleich mal nachgesehen. Normaler Weise spring ich nicht gleich auf, um nachzusehen, wenn der Kuckuck schreit. Aber wenn es schon da liegt…

Es war Adolfo, der auf einmal damit anfing, ob ich nicht doch losfahren sollte und er ja morgen das Appartement auch noch putzen müsse und sowieso alles viel zu knapp sei und ihm das auch zu viel ist. Inzwischen war es fast schon Mittag geworden und ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass ich heute nicht fahren muss bzw. wenn überhaupt, dann nur einen kurzen Abstecher rüber nach Monaco mache. Ich wäre schon mal gern am Schwimmbad vorbei gefahren und durch das Tunnel, das für die Formel 1 immer gesperrt wird. Und jetzt fängt er auf einmal damit an, dass es für mich besser sei, doch noch loszufahren, weil seine Wetter App für morgen angeblich Regen in Ventimiglia anzeigt.

Ein kurzer Check meiner Wetter App sollte Aufschluss darüber geben, was Sache ist. Die Situation hatte sich seit 6 Uhr Früh so gut wie gar nicht verändert – meine Stimmung jetzt allerdings schon. Soll jetzt wieder alles für den Arsch gewesen sein? Ich hatte nen echt dicken Hals und meine Gedanken gingen in eine Richtung, die sehr dunkel bis schwarz war. Wieviel kann ein Mann aushalten, bis es ihm den Schalter endgültig raushaut? Ich hätte gute Lust gehabt, ihm sein Drecksappartement kurz und klein zu hauen, aber was sollte es bringen, wenn ich jetzt so einen Zirkus mit Sondervorstellung veranstalte? Genau, nicht das Geringste würde es bringen. Dann würde ich nicht nur vor dem Wetter flüchten, sondern hätte auch die Bullen am Hals. Wenn Adolfo will, dass ich gehe, dann kann ich das nicht ändern.

Klar, ich hätte ihm jetzt hier und da Eins reinwürgen können, aber ändern würde es trotzdem nichts, dass ich jetzt wieder auf die Straße muss. Außerdem könnte ich schlechtes Karma gerade gar nicht gebrauchen, denn schlimmer geht immer, das sollte man nie vergessen. So hab ich mich eben wieder angestrengt und den Ärger runter geschluckt, so gut es eben ging und hab sofort damit begonnen, wieder alles reisefertig zu machen. Von der Seite hätte mich jetzt niemand anquatschen dürfen, ich war lebendiges Nitroglycerin.

Aber mit so einer fetten Wut im Bauch ist man extrem leistungsfähig und die Schmerzen fühlen sich auch leichter an, was dazu führte, dass ich in einer knappen Stunde alles fertig verstaut hatte und bereit war zum Losfahren. Es war ca. 13 Uhr als ich in Ventimiglia aufbrach, das sollte zumindest spät genug sein, damit sich der Regen bis zu meiner Ankunft in Genua verzogen hat.

Entlang der Route nach Genua hatte ich wenigstens immer wieder die Möglichkeit, den einen oder anderen Blick zum Meer zu erhaschen.

Wie sich das Wetter in Bardolino entwickeln wird, steht in den Sternen, derzeit regnet es und später am Nachmittag sei mit Gewitter zu rechnen.

Ich dachte mir, dass ich einfach so lange weiter fahre, bis mich der Regen am Weiterfahren hindern würde.

Als ich in Genua ankam, war alles trocken, da es tatsächlich seit Mittag nicht mehr geregnet hatte. In Bardolino hatte der Dauerregen inzwischen aufgehört, allerdings trieben noch Gewitter ihr Unwesen.

Na ja, egal dachte ich mir, so lange ich trocken bin, fahr ich weiter. Meine Route führte mich nun weiter in Richtung Poebene. Vorbei an Voghera, die Geburtsstätte der Maserati Brüder, allerdings ist der heutige Sitz von Maserati in Modena. Nach meinem Gusto bildet Maserati bei den italienischen Sportwagen das Schlusslicht, auch wenn der MC 12 und sein Nachfolger, der MC 20 einzigartig in ihrer Art sind, aber vor allem wunderschöne Design Ikonen sind.

Bei Cremona fuhr ich dann über den Po! Ich hab mich weggeschmissen, als ich das gelesen habe, da musste ich unweigerlich an meine mitgebrachte Hämorrhoiden-Creme denken, die ich zum Glück nicht gebraucht hatte, sie ging mir quasi am Arsch vorbei.

So bin ich immer wieder den Regenwolken davon gefahren und als ich in die Nähe von Brescia kam, wusste ich, dass der Lago di Garda nicht mehr weit ist. Die Straßen waren hier noch nass, aber zum Glück nicht so nass, dass es aufspritzte. Dennoch kann es nicht lange her sein, dass es hier geregnet hatte. Der Verkehr war hier wesentlich dichter als in der Poebene, außerdem war gerade noch Berufsverkehr. So tingelte ich weiter und schon bald kam die Abfahrt nach Desenzano. Das fühlte sich an wie „Coming home“, schließlich ist der Gardasee ein alter Freund. Jetzt war es nur noch ein kleines Stück am Südufer des Sees entlang, bis nach Bardolino und schon bald wechselten die Leitplanken ist dieses unverkennbare, rostige Braun – ich war auf die Brennerautobahn abgebogen.

Es war früher Abend und die Straßen waren auch hier noch nicht ganz trocken und es wehte eine kalter Wind vom Brenner herunter. Zum Glück waren die Straßen nur feucht, sodass mir kein Spritzwasser eine seichte Dusche verpasste. Ich hielt an der nächsten Raststätte an, um zu überlegen, was nun passieren soll. Eigentlich bin ich an meinem Tagesziel angekommen, aber die Wetteraussichten für die nächsten Tage waren fürchterlich. Es gab einfach keine Chance trocken über die Alpen zu kommen.

Ein Blick auf die Satellitenkarte verriet mir, dass aktuell eine kleine Schneise entsteht, die bis 1 Uhr nachts anhalten sollte. Die Schneise reichte von Bardolino bis Nürnberg und wäre eine perfekte Passage für mich, um trocken bis nach Hause zu kommen.

Ich wusste ja schon, dass in den nächsten Tagen eine trockene Rückfahrt bis nach München nicht möglich sein würde. Eigentlich hatte ich schon damit gerechnet, dass ich morgen irgendwo bei Bozen in den Regen geraten würde, wenn ich heute in Bardolino übernachten würde. Sandra hatte mir schon angeboten, dass sie mich in Bozen abholen würde und ich das Trike so lange in Bozen stehen lasse, bis eine trockene Heimfahrt wieder möglich wäre. Dieses Angebot wollte ich schon annehmen, aber dass jetzt eine trockene Wetterschneise entstehen würde, also damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Aber eigentlich war ich froh, dass ich mein Tagesziel für heute erreicht hatte und Feierabend machen konnte. Hmmm, ein Königreich für die richtige Entscheidung. Dann dachte ich mir, man muss sein Glück am Schopf packen, sonst kommt es nicht wieder. Das Glück ist ja bei mir eh ein eher seltener Besucher. So entschied ich mich also, weiter zu fahren und diese einmalige Chance zu nutzen. 

Eigentlich war ich zwar schon jetzt total am Arsch, weil ich das letzte Mal gestern was gegessen hatte und die gesamte Fahrt bis hierher echt heftig war, aber ich musste einfach weiter fahren. Allerdings, wenn ich jetzt was essen würde, dann würde ich müde werden und das kann ich gerade gar nicht gebrauchen. Die Lösung hieß also Red Bull, einfach bei jeder zweiten Tanke anhalten und ein Red Bull reinpfeifen sowie die Wirkung von Oxycodon immer schön oben halten. Ich hab mir dann gleich mal ein Tablettchen mit nem Red Bull reingespült und mich wärmer angezogen. Von Bardolino bis Bozen musste ich jetzt langsam fahren, weil es in Bozen immer noch regnete und ich will ja erst in Bozen ankommen, wenn es aufgehört hat zu regnen und die Straßen halbwegs trocken sind, was aber zum Glück auf der Autobahn recht schnell geht. Wenn ich nach 20 Uhr in Bozen ankomme, sollte nach meinen Berechnungen alles erste Sahne sein. So bin ich also gut versorgt mit verliehenen Flügeln und einer Ladung Oxy los getuckelt. Leider konnte ich nicht warten, bis es spät genug war, weil ich sonst vielleicht verpennt hätte und mein Zeitfenster verpasst hätte.

Als ich in Bozen ankam, waren die Straßen zumindest so weit trocken, dass kein Wasser aufspritzte, hehe. Timing ist alles und alles ist Timing. Nach einem weiteren Blick auf die Wetterkarte sah ich, dass es am Brenner gerade mal 9 Grad hat. Also zog ich noch weitere Klamotten in der Zwiebelschichtweise an. Ich hatte ein Tanktop an, darüber ein Poloshirt, dann einen Fleecepullover mit hohem Kragen und dann noch meine schwarze Mopedjacke. Hosen hatte ich 3 Schichten an und man höre und staune, ich hatte keine Crocs an sondern stattdessen Socken und meine schwarzen Chucks. Ein völlig neues Fahrgefühl. 😄

Mehr konnte ich nicht tun, das wars jetzt, entweder ich packs oder eben nicht. Zumindest hat die Kälte dabei geholfen, wach zu bleiben und nicht einzuschlafen. So bin ich dann über den Brenner und runter nach Innsbruck gefahren, die schwarzen, schweren Wolken, die aus Westen flott aufzogen immer im Blick. In den zwischenzeitlich düsteren Lichtverhältnissen sahen die Wolken noch viel bedrohlicher aus. Aber was solls, catch me if you can, Arschbacken zusammen und mitten durch, so führte meine weitere Route über die Inntalautobahn Richtung Deutschland. Es war auch wieder wärmer geworden und zum Glück war ich immer noch trocken. Jetzt waren die Wolken hinter mir und verfolgten mich, aber ich konnte sie abhängen – wer bremst verliert. 😉

Als ich in Deutschland angekommen war, nutzte ich sofort das Beste an Deutschland – es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Somit konnte ich endlich Gas geben und hielt meine Geschwindigkeit auf entspannte 160 km/h und war dann somit gegen Mitternacht zuhause. In Kirchheim hatte ich noch einen Abstecher bei McDonalds gemacht, weil ich ja immer noch nichts gegessen hatte und mir das Red Bull langsam aus den Ohren rauslief.

Da ich meinen Standort über WhatsApp live geteilt hatte, konnte Willy meine Fahrt beobachten.

Als ich endlich den Feldweg entlang auf mein Tor und aufs Haus zu fuhr, war mein Kopf noch ganz woanders, aber bestimmt nicht hier. Es war total befremdlich und es fühlte sich an, als ob jemand anderes fährt und ich nur Beifahrer bin.

Als ich das Trike geparkt hatte und den Motor abstellte, wusste ich gar nicht so recht, wie es jetzt weiter geht. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und bin einfach ins Haus gegangen, hab noch kurz wie ein Roboter die Sachen, die außen am Trike verstaut waren, ins Haus gebracht und hab mich ausgezogen. Ich hab’s dann noch irgendwie geschafft, in WhatsApp zu posten, dass ich zuhause bin. Ich komme mir zwar vor, wie durch den Fleischwolf gedreht und bin völlig durch den Wind, hab Schmerzen ohne Ende und werde die nächsten 2 Tag im Bett verbringen, aber ich bin trocken nach Hause gekommen und häng jetzt nicht irgendwo auf unbestimmte Zeit fest.

Dem Mutigen gehört das Glück und hinterm Horizont geht’s weiter.

Danke euch, es ist schön, wenn jemand ein Auge auf einen hat!
Schön wars mit euch! Prost, ich trink auf euch!

Vielleicht handelt mein nächster Blog von einer Lagoon, schaumamoidannsengmasscho… 😄✌

2 Kommentare

  1. Heinz Ruppenstein

    Also Gerhard, das dauert zwar schon eine Zeit, bis man das gesamte von Dir geschriebene in Ruhe gelesen und sich die schönen Bilder angesehen hat, nur absolut bewundernswert, das alles so zu schreiben, daß man einfach die Lust verspürt, ständig weiterzulesen um alles zu erfahren, was Du auf der Tour Richtung IBIZA, auf IBIZA und auf dem Rückweg von IBIZA erlebt hast. Vorallem auch schön, daß Du gut auf IBIZA an- und wieder von IBIZA heimgekommen bist, auch wenn das Wetter hin und wieder nicht dein glücklicher Begleiter war. Gerhard ganz toll und ich könnte es mir vorstellen, solch eine Tour mal auf meiner 32 Jahren alten Harley meiner „old lady“ zu machen!, nur ob sie das durchsteht? Recht schena Gruaß vom Heinz

    • admin

      Freut mich riesig, wenn es dir gefallen hat. Ich wollte einfach ungefiltert meine Erfahrungen zum Ausdruck bringen, das mag vielleicht dem Einen oder Anderen negativ aufstoßen, aber hey, entweder es ist authentisch oder eben nicht. Also wenn du wirklich noch nen Road Trip machen willst, wäre es für mich eine Ehre, wenn wir gemeinsam dem Weg der Straße folgen. Deine Old Lady würde sich wahrscheinlich freuen, wenn sie kein Leben in einer Tiefgarage fristen müsste. Selbst wenn sie schlapp machen würde, wäre es kein Problem, weil du nicht allein wärst. Wie gesagt, dem Mutigen gehört das Glück! Let`s hit the road, Heinz 🙂

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